Und beim ZFC zeigten die Unparteiischen, dass sie auch prima kicken können


Abwechslungsreiches Jahrestreffen der ehemaligen DDR-Oberliga-Schiedsrichter in Altenburg und Meuselwitz / Impressionen mit Text und Bildern von Marco Haase

Als Adolf Prokop (Erfurt) im Jahre 1979 gemeinsam mit Manfred Roßner (Pößneck) das Jahrestreffen der DDR-Oberliga-Schiedsrichter ins Leben rief, da hatte der ehemalige langjährige FIFA-Referee vom BSV Eintracht Sondershausen nicht ahnen können, dass dieses Traditionstreffen wahrer Fußball-Legenden mittlerweile ins fünfte Jahrzehnt geht. Jedes Jahr geht es gemeinsam mit den Partnerinnen an einen anderen Ort, jedes Jahr gibt es ein anderes Organisationsteam – und jedes Jahr steht ein abwechslungsreiches Programm auf dem Plan, bei dem ein Fußballspiel der ehemaligen DDR-Oberliga-Unparteiischen gegen eine örtliche Traditionsmannschaft zu den Höhepunkten zählt.

Coronabedingt wurde das diesjährige Jahrestreffen zwar von Juni in den Herbst verschoben, aber es fand, engagiert und erfolgreich organisiert diesmal von den ehemaligen Oberliga-Unparteiischen Peter Weise (Könitz) und Matthias Müller (Gera), in Altenburg und Meuselwitz statt, natürlich unter strikter Einhaltung aller Abstands- und Hygienevorschriften. Zu den Programmpunkten der Zusammenkunft gehörte auch die Fahrt mit der Schmalspurbahn des Meuselwitzer Vereins Kohlebahnen – Lokführer Marvin Meinhardt sorgte für eine sichere Reise seiner prominenten Gäste auf den 15 Kilometern von Meuselwitz nach Haselbach, unter anderem durch das malerische Schnaudertal. So lobte denn Peter Weise stellvertretend für die Reiseschar das ehrenamtliche Engagement der Schmalspurbahn-Enthusiasten, die für den Erhalt eines Teils des Braunkohle-Schmalspurnetzes sorgen. Zudem standen ein Museumsrundgang sowie der Besuch eines Weingutes auf dem Programm.


Zu Gast beim ZFC Meuselwitz

Das Freundschaftsspiel der Schiedsrichter gegen eine Traditionsmannschaft des ZFC Meuselwitz fand auf der Anlage des Regionalligisten unter Flutlicht statt und war ein Highlight des Treffens. Begrüßt wurden die Unparteiischen von ZFC-Präsident Hubert Wolf – und sein Verein zeigte sich vor, während und nach der Partie als blendender Gastgeber, der das Jahrestreffen mit zahlreichen Klubmitgliedern tatkräftig unterstützte.

Im fairen und torreichen Spiel selbst, souverän und manchmal mit einem zwinkernden Auge geleitet von Referee-Urgestein Bernd Wirth, bewiesen die DDR-Oberliga-Schiedsrichter, die von einigen Gast-Schiedsrichtern unterstützt wurden, dass sie nicht nur Spiele leiten, sondern auch sehr gut kicken können. Torwart Wolfgang Schneider (Eisenhüttenstadt) stand Manuel Neuer in nichts nach und rettete manchen Ball, welchen die begeisterten Zuschauer schon drin gesehen hatten. Karl-Heinz Gläser (Breitungen), Hans-Jürgen Bußardt (Chemnitz) und Reinhard Purz (Berlin) hielten die Abwehr zusammen, ließen Ball und Gegner laufen. Bernd Heynemann (Magdeburg), Günther Habermann (Weißensee) und Peter Weise ließen ihre Technik und ihr Auge für die kontrollierte Offensive erkennen. Und Sandy Hoffmann (Seligenthal) erwies sich als Sturmspitze mit Gerd-Müller-Qualitäten – immer die freien Räume im Blick.


Munteres und faires 4:4

Prima integrierten sich auch die beiden Schiedsrichterinnen, Hannah Symalzek (Erfurt) und Nora Dieckmann (Jena), die übrigens frisch in die zweite Frauen-Bundesliga aufgestiegen ist – beide waren Stützpfeiler in der DDR-Oberliga-Mannschaft und sorgten maßgeblich mit dafür, dass es in einer munteren und spannenden Begegnung am Ende 4:4 hieß. Coach Adolf Prokop am Spielfeldrand war genauso zufrieden wie die weiteren Unterstützer am Rande, darunter Siegfried Kirschen (Frankfurt/Oder), Klaus-Dieter Stenzel (Forst), Heinz Rothe, Günter Supp (Meiningen), Matthias Müller und Klaus Hagen (Dresden) mit ihren Partnerinnen, die ebenso mitfieberten und engagiert unterstützten. Und auch Holger Fuchs, Geschäftsführer des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) war angesichts der gezeigten Leistungen sehr angetan.

Auch in der ZFC-Traditionsauswahl liefen bekannte Schiedsrichter auf, so unter anderem Regionalliga-Referee Matthias Lämmchen sowie der Vereins-Schiedsrichter-Obmann und Amateur-Oberliga-Beobachter Michael Kahl. Nach dem Schlusspfiff der munteren Partie ließen es Aktive und Zuschauer in den Räumlichkeiten des ZFC gemütlich ausklingen, analysierten die Partie bei lecker Gegrilltem und Kaltgetränken – und sprachen über aktuelle und vergangene Spiele. Und da gab es eine Menge zu erzählen und zu erinnern – war doch hier in Meuselwitz die geballte Erfahrung von Unparteiischen zu Gast, die zusammen auf gut fünf Jahrzehnte von Einsätzen in der DDR-Liga, DDR-Oberliga, auf FIFA-Ebene und nach der Wende auch in der ersten und zweiten Bundesliga kamen.

Und nach den abwechslungsreichen drei Tagen, die alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer als sehr gelungen lobten, brachte Adolf Prokop die allgemeine Stimmung – erneute Vorfreude – auf den Punkt: „Wir freuen uns aufs nächste Treffen und das Wiedersehen im Juni 2021 im Eichsfeld."



Gesagt…

… beim Jahrestreffen der ehemaligen DDR-Oberliga-Schiedsrichter in Altenburg und Meuselwitz
(aufgezeichnet von Marco Haase):


„Wir Schiedsrichter sind eine große Familie"


„Ich freue mich sehr, dass unser Treffen nach wie vor stattfindet, und dass auch unsere Ehefrauen mit dabei sind. Jedes Jahr gibt es viel Neues zu erzählen."

Siegfried Kirschen (Frankfurt/Oder), als FIFA-Schiedsrichter unter anderem bei den Weltmeisterschaften 1986 und 1990 sowie der EM 1988 im Einsatz – und Spielleiter des Bundesliga-Nordderbys Hamburger SV gegen den FC St. Pauli am 25. November 1990.


„Ich war kein schlechter Spieler, aber irgendwann hat mir der damalige FIFA-Schiedsrichter Gerhard Kunze gesagt: Werde Schiedsrichter, Du hast Talent. Los ging es sonntags um dreiviertel neun bei den Reservemannschaften. Und das hat gut geklappt, ich bin Jahr für Jahr aufgestiegen. Neben Talent braucht man natürlich auch das nötige Glück."

Siegfried Kirschen auf die Frage, warum er Unparteiischer geworden – und geblieben – ist.


„Ich habe Fußball gespielt und wurde von Teamkolleginnen dazu motiviert, einen Schiedsrichter-Lehrgang zu absolvieren."

Nora Dieckmann (Jena), Schiedsrichterin in der zweiten Bundesliga der Frauen und Herren-Landesklasse.


„Fußball hat mir seit jeher viel Spaß gemacht, und ich möchte es nicht missen, als Unparteiische jedes Wochenende auf dem Platz zu stehen."

Nora Dieckmann


„Wir haben bei unserem Jahrestreffen immer auch den Nachwuchs im Blick und laden auch jüngere Schiedsrichter ein. Wir Erfahrenen wollen auch Vorbild sein."

Peter Weise (Könitz)


„Unser Motto ist: Einmal Schiedsrichter, immer Schiedsrichter. Wer von uns nicht mehr aktiv gepfiffen hat, ist der Sache immer erhalten geblieben, zum Beispiel in der Aus- und Fortbildung, als Obmann oder Beobachter. Unser gemeinsames Ziel ist es, immer genügend Nachwuchs zu gewinnen."

Peter Weise


„Als Spieler hatte ich mich verletzt und bin mit 18 Jahren Schiedsrichter geworden, so bin ich dem Fußballsport treu geblieben. Mit 25 hatte ich die Oberliga erreicht."

Reinhard Purz (Berlin)


„Für meine Persönlichkeitsentwicklung war die Tätigkeit als Unparteiischer sicher sehr gut."

Reinhard Purz


„Ich freue mich sehr, dass unser Treffen trotz der Herausforderungen durch die Corona-Pandemie auch in diesem Jahr stattfinden konnte. Und ich freue mich auch, dass seit vielen Jahren auch unsere Ehefrauen und Partnerinnen mit dabei sind, die uns bei unserer zeitaufwändigen Tätigkeit als Schiedsrichter jahrzehntelang unterstützt haben. Das Jahrestreffen ist eine schöne Tradition, die wir auch künftig fortsetzen sollten und werden. Mein Dank gilt dem ZFC Meuselwitz für die tolle Gastfreundschaft und Unterstützung."

Karl-Heinz Gläser (Breitungen)


„Die Tätigkeit hat mir immer ganz großen Spaß gemacht, egal in welcher Spielklasse. Und ich hatte immer sportliche Ziele."

Der ehemalige FIFA-Referee Günther Habermann (Weißensee), der gemeinsam mit Karl-Heinz Gläser (Breitungen), Bernd Heynemann (Magdeburg), Siegfried Kirschen (Frankfurt/Oder), Wieland Ziller (Laußnitz), Klaus-Dieter Stenzel und Norbert Haupt (Berlin) nach der Wende auch in der Bundesliga zum Einsatz kam. Zudem waren etliche ehemalige Oberliga-Referees aufgrund ihrer hohen Qualität auch international und national als Assistenten und in der zweiten Bundesliga aktiv.


„Der Reiz liegt darin, sich jede Woche neu beweisen zu können und eine möglichst gute Leistung zu bringen. Dieser gesunde sportliche Ehrgeiz war für mich immer ein Ansporn."

Matthias Müller (Gera)


„Fürs Geld hat bei uns niemand gepfiffen. Wie die Kampfrichter in anderen Sportarten sind wir gern für 20 Mark Ost losgefahren."

Matthias Müller


„Ich hatte mich am Knie verletzt und durfte keinen Ball mehr treten, aber weiter rennen. Und da dachte ich mir: Die Tätigkeit als Schiedsrichter wäre doch was, so bleibe ich der Sache erhalten. Ich hatte immer einen positiven Sinn für Gerechtigkeit, und auch das Gemeinschaftsgefühl von uns Schiedsrichtern gefällt mir sehr."

Klaus Hagen (Dresden)


„Die Kameradschaft unter uns Schiedsrichtern war und ist sehr gut. Zudem profitiert jeder Unparteiische durch seine Tätigkeit bei seiner Persönlichkeitsentwicklung. Und: Es hat mir immer großen Spaß gemacht."

Heinz Rothe (Templin)


„Wir Schiedsrichter sind eine große Familie."

Heinz Rothe


„Ich war Spieler bei einer Schüler-Auswahl in Cottbus, habe 1963 mit dem ganzen Team den Schiedsrichter-Lehrgang besucht – und bin Unparteiischer geblieben."

Klaus-Dieter Stenzel (Forst), der 1975 in die DDR-Oberliga aufstieg.


„Es ist der Reiz, sich zu entwickeln und Spiele gut über die Bühne zu bringen. Ich habe immer von Spiel zu Spiel geschaut, und dankenswerterweise hatte ich auch Unterstützer, die mir gesagt haben: Du hast Potenzial. Und wann man mal einen Fehler macht: Nie den Kopf in den Sack stecken, sondern immer weiter machen und sich neue Ziele stecken."

Klaus-Dieter Stenzel, der frühzeitig auch in der Aus- und Fortbildung junger Schiedsrichter tätig war.


„Ich habe in meiner Karriere kein einziges Spiel abgesagt, egal, in welcher Klasse."

Klaus-Dieter Stenzel


„Wir kennen uns alle sehr gut. Und jeder freut sich über den Austausch, was im abgelaufenen Jahr alles passiert ist."

Der ehemalige FIFA-Schiedsrichter Adolf Prokop (Erfurt), der 1979 gemeinsam mit Manfred Roßner das Traditionstreffen aus der Taufe hob.


„Ich habe 1958 die Schiedsrichter-Prüfung abgelegt – und es hat mir immer viel Spaß gemacht, und auch der Erfolg war da."

Adolf Prokop, der 1969 bis 1989 in der DDR-Oberliga pfiff und von 1974 bis 1989 FIFA-Schiedsrichter war.


„In 20 Jahren Oberliga hatte ich gerade einmal sechs Feldverweise – das öffentliche Ansehen der Schiedsrichter, die Achtung und der Respekt waren damals sehr hoch, vielleicht höher als heute."

Adolf Prokop, der unter anderem bei den WM 1978 und 1982 sowie den EM 1980 und 1984 zum Einsatz kam und insgesamt 2205 Spiele leitete, zum Thema Fairplay und Respekt.




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